Helfen kann Jede(r) - Menschen mit Behinderung lernen Erste Hilfe mit dem Roten Kreuz
„Hey, Herr Wimmel, Du!? Können wir für unsere Wohngemeinschaft von der Haus-Hohensolms-Stiftung gemeinsam beim Roten Kreuz einen Erste-Hilfe-Kurs machen?“. Klar können wir. Denn helfen kann und muss jeder - immer entsprechend seinen eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten. Im Haus Hohensolms sind Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung zuhause. Integration und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind Schwerpunktziele der Arbeit.
Lachen, aufmunternde Zurufe und konzentrierte Gesichter. Die Stimmung im Bewegungsraum der Physiotherapeutischen Praxis Haus Hohensolms ist gut. Zwölf Jugendliche und junge Erwachsene aus dem Haus Hohensolms nehmen an diesem Vormittag an einem Erste-Hilfe-Kurs mit dem DRK-Wetzlar teil. An verschiedenen Übungsstationen probieren sie ganz praktisch Erste-Hilfe-Maßnahmen aus. Es herrscht rege Betriebsamkeit. Mittendrin kniet DRK-Ausbilderin Tamara Barnusch. Sie erklärt Fabian die Herz-Lungen-Wiederbelebung am Übungsphantom. „Das schaffst du. Du kannst gar keine Fehler machen“, ermuntert sie ihn. Fabian überstreckt vorsichtig den Kopf der Übungspuppe und beginnt mit der Beatmung. Zwei Mal Pusten - der Brustkorb hebt und senkt sich. Fabian macht weiter mit der Herz-Druck-Massage. Er zählt laut mit „15, 16, 17 … - „Fabian, nicht schneller werden“, ermahnt Barnusch - … 18, 19, 20 …“. Bis 30. Dann beginnt er von vorn mit der Beatmung. Nach erfolgreicher Reanimation ist Fabian sichtlich stolz auf seinen Erfolg und geht voll Selbstvertrauen zur nächsten Station.
Unterstützung hat Tamara Barnusch an diesem Vormittag von Bezugsbetreuer Christian Wimmel sowie den Ergotherapeuten Nicole Gombert und Teja Brauns. Ramon will mit Christian Wimmel die stabile Seitenlage ausprobieren. Der legt sich bereitwillig auf die Matte und gibt kleine Hilfestellungen. „Ramon, mach einfach mal und denk an die „drei K´s“, ermuntert ihn Wimmel. Ramon weiß genau, was zu tun ist. „Kaktus“ – die Arme im rechten Winkel nach oben ablegen. „Kuscheln“ – die Hand an die Wange legen. Und zu guter Letzt das Knie aufstellen und den Körper sanft herüberziehen. Die anderen feuern ihn dabei an „Kaktus, Kuscheln, Knie“. Gleich nebenan unterstützt Atreo seinen Mitbewohner Jan beim Anlegen eines Kopfverbandes. Clifton sei in der WG in eine Scheibe gestürzt und habe sich eine Schnittwunde an der Stirn zugezogen. Zum Glück nur ein Übungsszenario. Dennoch nehmen die beiden ihre Aufgabe ernst und arbeiten konzentriert. Jan öffnet die sterile Verpackung und legt eine Mullkompresse vorsichtig auf die Wunde. Atreo hält die Kompresse fest und Jan beginnt sorgfältig die Mullbinde um die Stirn zu wickeln. „Atreo halt mal die Mullbinde fest, ich hole das Klebeband“. Atreo wickelt zum letzten Mal die Mullbinde um die Stirn und fixiert deren Ende mit den Fingern. Jan kommt mit dem Heftpflaster zurück und befestigt die Mullbinde. Clifton ist jetzt gut versorgt. Der Verband fühle sich zwar ein bisschen komisch an, er sei aber froh, dass seine Kumpels ihn so gut versorgt haben. „Das würde ich umgekehrt auch machen und helfen“, bekräftigt er.
Nur eine von vielen Übungssituationen an diesem Vormittag. Anfangs noch zögerlich, wächst bei den Teilnehmenden von Station zu Station das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten. Sie arbeiten Hand in Hand, unterstützen sich, muntern sich gegenseitig auf und feuern sich an. Einige kennen sich bereits aus ihren Wohngruppen oder aus der Wohngemeinschaft. Andere wiederrum lernen sich erst im Kurs kennen. Schnell entsteht ein vertrautes Miteinander. An diesem Vormittag werden Verbände angelegt, Wunden mit Heftpflaster versorgt, Zecken – in diesem Übungsfall Stecknadeln - mit der Zeckenzange gezogen, Übungspuppen reanimiert und die Notrufnummer 112 gelernt. „Tamara, ich wollte dir noch mal Danke sagen. Der Kurs war prima. Das hast du gut erklärt“, fasst es Pascal zusammen und die Gruppe spendet Applaus. „Traut euch. Ihr habt heute gesehen, dass ihr euch gegenseitig helfen könnt“, ermuntert Tamara Barnusch die Teilnehmenden zum Abschluss.
Für Bezugsbetreuer Christian Wimmel ist die Erste Hilfe eine Herzensangelegen-heit. „Unsere Bewohnerinnen und Bewohner in der Wohngemeinschaft und im Einzelwohnen sind im Alltag oftmals auf sich allein gestellt“, erklärt er. Zum Glück sei bislang noch nichts Gravierendes passiert. Für den Fall der Fälle müssten die jungen Erwachsenen vorbereitet sein und sich zu helfen wissen, meint Wimmel. In einer WG-Sitzung wurde gemeinsam die Erste Hilfe thematisiert. Schnell seien Alltagssituationen, bei denen es zu Unfällen kommen könne, diskutiert worden. Auch von Arbeitsunfällen in den Werkstätten sei die Rede gewesen. Der Zuspruch für den Erste-Hilfe-Kurs war groß, denn auch Menschen mit Behinderungen wollen helfen, wenn jemand verletzt ist. Die Umsetzung unterstützten sowohl die Leitung Haus Hohensolms wie auch Arbeitgeber, die Mitarbeitende aus den Werkstätten für die Kursteilnahme freistellten. Der Kurs habe gezeigt, dass sich jede und jeder auf seine Art in die Gruppe einbringen und mitmachen konnte, meint Nicole Gombert. „Das ist ja genau das, was wir mit unserer Arbeit wollen. Selbstvertrauen stärken und Handlungskompetenz vermitteln“, bekräftigt Nicole Gombert.
„Inklusion ist auch für das Rote Kreuz ein wichtiges Thema und wir werden sicherlich die Zusammenarbeit mit dem Haus Hohensolms fortsetzen“, ist DRK-Ausbildungsleiter Nico Dietrich überzeugt. Ein nächster Schritt könne laut Dietrich zum Beispiel die Teilnahme an einem der regulären Erste-Hilfe-Kurse sein. Unterstützt durch eine 1:1 Betreuung durch das Haus Hohensolms.