Ankunftszentrum stockt auf
Das Ankunftszentrum für geflüchtete Menschen aus der Ukraine in der Kestnerschule in Wetzlar hat seine Kapazitäten aufgestockt.
Ausgerichtet sind die Räumlichkeiten jetzt für bis zu 250 Personen. Hierzu wurden die ehemaligen Klassenzimmer in der Kestnerschule umfunktioniert und neu ausgestattet.
Dort, wo früher Schülerinnen und Schüler lernten, stehen jetzt Schlafplätze bereit. In den Klassenzimmern wurden Ende Februar zunächst Feldbetten aus dem Katastrophenschutz aufgestellt und Einmalbettwäsche ausgelegt, um quasi über Nacht geflüchtete Menschen in Wetzlar aufnehmen zu können. Jetzt werden die Feldbetten schrittweise abgebaut und durch Etagenbetten mit Matratzen und Bettwäsche ersetzt. Vor Ostern kamen die ersten beiden LKW-Lieferungen in der Kestnerschule an - zunächst mit 103 Etagenbetten und 20 Kinderbetten. Die galt es abzuladen, aufzubauen und auf die Zimmer bis in den dritten Stock zu verteilen. Pro Klassenraum sind zwischen vier und sechs Etagenbetten mit jeweils zwei Schlafplätzen aufgebaut. Im Gegenzug wurden die Feldbetten schrittweise abgebaut und dem Katastrophenschutz des Lahn-Dill-Kreises wieder überreicht. Eine schweißtreibende Aufgabe für die Helferinnen und Helfer des Roten Kreuzes sowie die Mitarbeitenden des Mobilen Sozialen Hilfsdienstes in einem denkmalgeschützten Gebäude ohne Fahrstuhl.
Eine logistische Herausforderung ist nach wie vor, dass nicht planbar ist, wie viele Menschen wöchentlich ankommen und zu versorgen sind. Im Durchschnitt sind es zwischen 50 und 150 Personen – mehrheitlich Frauen und Kinder. Die Zahlen schwanken ebenso, wie die Verweildauer im Ankunftszentrum. „Das Flüchtlingsgeschehen ist mit dem von 2015 nicht zu vergleichen“, erläutert Anne Peter-Lauff, Abteilungsleiterin Soziales und Integration beim Lahn-Dill-Kreis. Viele Menschen kommen aktuell bei Verwandten unter oder über persönliche Kontakte in privaten Unterkünften. „Wir sind für alle Fälle gut vorbereitet“, sagt Anne Peter-Lauff weiter.
Jeden Montag kommen Geflüchtete im Ankunftszentrum an, die zunächst in der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen registriert wurden. Von hier aus erfolgt dann die Verteilung auf private Wohnungen und Unterkünfte in den Kommunen des Lahn-Dill-Kreises. Eine geeignete Unterkunft ist manchmal schon innerhalb von 24 Stunden gefunden – es kann aber auch bis zu zehn Tagen und länger dauern.
Die Ankommenden werden in der Pausenhalle der Kestnerschule von den Betreuungskräften des Roten Kreuzes zunächst auf Corona getestet. Im Anschluss bekommen sie ihre Zimmer gezeigt und erhalten bei einem Rundgang durch das Gebäude eine erste Orientierung. Familien werden soweit möglich im Verbund untergebracht. Mitarbeitende des Lahn-Dill-Kreises sind regelmäßig montags während der Ankunft sowie dienstags und donnerstags vor Ort. Sie übernehmen die Registrierung und unterstützen bei Antragstellungen, damit die Unterbringung in privatem Wohnraum und die Auszahlung der Leistungen schnell erfolgen kann. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter des Kreises haben ein offenes Ohr für all die Sorgen und Probleme der Geflüchteten vor Ort.
Der Lahn-Dill-Kreis stellt im Ankunftszentrum die Dinge des alltäglichen Lebens zur Verfügung. Ein Caterer übernimmt die Versorgung. Für Kinder steht Spielzug für unterschiedliche Altersgruppen zur Verfügung und auch für die mitgereisten Haustiere steht Tierfutter bereit. Was nicht vorrätig ist, wird kurzfristig und bedarfsorientiert besorgt. Ein kleines Sortiment an Kleidung hält das Rote Kreuz in einem ehemaligen Hörsaal vor – hauptsächlich für Babys und Kleinkinder. Zudem besteht eine Kooperation mit der „Anziehecke“, dem Kleiderladen der Caritas in Wetzlar. „Wir haben alle eine gemeinsame Aufgabe und arbeiten nach Kräften zusammen“, bringt Veronika Schnautz, DRK-Leitungsteam Ankunftszentrum, die gute Zusammenarbeit aller Kräfte auf den Punkt.
Das DRK-Leitungsteam ist im ehemaligen Sekretariatsbereich untergebracht. Hier laufen alle Fäden zusammen. Auf der gleichen Etage befinden sich die Schlafplätze für die Nachtbereitschaften und der Sanitätsraum. Der Sanitätsraum ist für die akute Notfallversorgung komplett ausgestattet. „Am häufigsten treten Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Durchfall auf“, weiß Maurice Szulczyk, DRK-Leitungsteam Ankunftszentrum. Auch kleinere Verletzungen werden versorgt. Dabei handelt es sich um Schürfwunden oder auch Blasen an den Füßen und kleinere Schnittverletzungen.
Die alte Turnhalle bleibt in ihrer Funktion als Bewegungsraum erhalten und ist für die Kinder bei schlechtem Wetter ein idealer Platz zum Spielen. Bei Sonnenschein füllt sich der Pausenhof und dank gespendeter Dreiräder und anderer Spielsachen ist auch wieder fröhliches Kinderlachen in der Kestnerschule zu hören.
„Das Team und die Abläufe im Ankunftszentrum haben sich gut eingespielt“, sagt Jürgen Müller, DRK-Kreisgeschäftsführer. Von den Mitarbeitenden ist Flexibilität und Improvisationstalent gefordert. Da wird auch schon einmal ein Provisorium für einen Wellensittich gebaut, bis ein geeigneter Käfig besorgt ist oder Gehhilfen für eine bessere Mobilität organsiert sind.
Und vor allen Dingen Menschlichkeit. „Wir wollen die Menschen willkommen heißen, nach all dem, was sie erlebt und durchgemacht haben“, bekräftigt Müller. Dabei gibt es nicht „den Geflüchteten“. Die Menschen und ihre Fragen und Sorgen sind vielfältig. „Soweit wie es in der kurzen Zeit möglich ist, wollen wir auf den Einzelnen und das, was er dringend benötigt, eingehen und Lösungen finden“, erläutert Müller weiter.